Erfolgsfaktor für den digitalen Wandel:
Frühzeitige Einbeziehung der Belegschaft in die Gebäude- und Raumkonzeption.
Rüdiger Schneider, Geschäftsführer der aconsea GmbH, erklärt im Interview wie im Zeitalter der Digitalisierung durch die Einbeziehung der Belegschaft neue Arbeitswelten mit neuen Gebäude- und Raumkonzepten erfolgreich eingeführt werden.
Was ist der Hauptnutzen von aconsea?
Wir schaffen seit rund 25 Jahren produktive, motivierende und auf die digitalisierte Zukunft ausgerichtete Arbeitswelten. Wir denken bei Gebäuden von innen nach außen: Zuerst kommen die Menschen und intelligente Nutzungen, dann das Gebäude. Wir sind schwerpunktmäßig in den Bereichen Büro, Verwaltung, Labor und Lehre tätig und optimieren hier die Flächen – zur Unterstützung moderner Arbeitsprozesse, aber auch zur Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Ebenso wichtig wie die Gestaltung der Flächen ist die Einbeziehung der Belegschaft in die Gebäude- und Raumkonzeption. Hierbei geht es auch darum, weit vor einem Change-Prozess von Anfang an die richtige Kommunikation im Unternehmen einzuführen. Dies ist heute sehr entscheidend für einen Projekterfolg.
Was hat die Gebäude- und Raumkonzeption mit dem digitalen Wandel zu tun?
Wir leben heute in einer Zeit großer Veränderungen in der Arbeitswelt. Während man früher die Fläche dem Organigramm einer Organisation angepasst hat, muss man heute viele unterschiedliche und neue Arbeitsmöglichkeiten berücksichtigen. Wir sprechen von einem „Multispace-Office“, das hochflexibel ist und immer die nötige Balance beziehungsweise Raumlösungen für Kooperation und Konzentration bietet. Die neue Arbeitswelt ist offener, aber kein Großraumbüro im Sinne von „Open-Space“, sondern durch optische Transparenz mit Glas und intelligente Raumakustik gekennzeichnet. Man kann interagieren, kommunizieren oder konzentriert und ungestört arbeiten. Und zwar jederzeit.
Die digitale Transformation hat dabei einen entscheidenden Einfluss darauf, wie wir heute und zukünftig zusammenarbeiten. Viele Arbeitsschritte und damit ganze Abteilungen werden entfallen – beispielsweise durch den 3D-Druck. Es wird häufiger das Home-Office genutzt. Integrations- und Kooperationspartner bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten kommen temporär im Unternehmen zusammen. Agile Arbeitsmethoden wie Scrumming oder Design Thinking brauchen ein entsprechendes Umfeld. Feste Arbeitsplätze werden abgelöst durch ein projektorientiertes Arbeitsumfeld. Prinzipiell ist es heute durch Digitalisierung und Cloud-Computing möglich, an jedem Ort der Welt zu arbeiten. Das sind nur wenige Beispiele, doch es wird deutlich, wie sehr sich die Gebäude- und Raumkonzeption mit dem digitalen Wandel ändern muss. Wir entwickeln heute bei langfristig orientierten Lösungen nutzerneutrale Layouts für die Fläche mit weniger Raumbedarf als bisher und die sich blitzschnell an neue organisatorische Anforderungen anpassen lassen. Wir nennen die Flächen „Pareto-Flächen“. Das heißt, rund 80 Prozent der Fläche sind nicht mehr fest zugeordnet, während 20 Prozent als sogenanntes Frontend den strukturellen Rahmen geben.
Das ist im übertragenen wie im wortwörtlichen Sinne für die meisten Nutzer viel Neuland. Umso wichtiger ist es, die Nutzer auf diesen Weg einzubinden und sie dabei aktiv zu unterstützen, „ihre“ Lösung zu entdecken.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit Kunden in der Praxis aus?
Wir haben vereinfacht gesagt zwei Hauptphasen in unserer Arbeit: die Machbarkeitsphase und die Umsetzungsphase
In der Machbarkeitsphase stehen wir im Dialog mit einem noch kleinen Kreis aus strategischen Entscheidern und Vertretern der späteren Hauptnutzer der neuen Arbeitswelt. Hier geht es darum, die Möglichkeiten und Ziele für neue Nutzungskonzepte auszuloten. Wichtig in dieser Phase ist das vollständige Commitment des Managements und der Verantwortlichen – vor allem auch im Hinblick auf ein verändertes Führungsverhalten, das unabdingbar für neue Arbeits- und Flächenkonzepte ist. Man kann nicht erwarten, dass sich die Mitarbeiter auf zukunftsweisende Konzepte einstellen und zum Teil tief greifende Veränderungen mittragen, wenn man es nicht selbst vorlebt.
In der Umsetzungssphaseist die Basis der beteiligten Personen dann deutlich breiter. Es ist sehr wichtig, dass alle späteren Nutzer repräsentativ – direkt vom Kick-off-Meeting an – eingebunden werden. Wir wollen mit allen arbeiten, damit jeder mitgenommen wird. Dieser Faktor darf nicht unterschätzt werden. Zur Einbeziehung der Belegschaft setzen wir auch unsere aconsea-Methode ein. Das ist ein interaktiver, datenbankgestützter Prozess, den wir entwickelt haben. Die Besonderheit unserer Methode: Sie ist sehr schnell. Nach dem Motto „change needs speed“ können wir Impulse, die aus der Belegschaft kommen, sehr schnell erfassen und in den Umsetzungsprozess integrieren.
Wer sind Ihre Kunden?
Es sind hauptsächlich große privatwirtschaftliche oder öffentliche OrganisationeUnternehmen, bei denen häufiger im Jahr durch veränderte Marktanforderungen oder interne Organisationsumstellungen neue Arbeitsmodelle oder Flächennutzungen notwendig sind. Diese Kunden bringen bereits große Erfahrungen mit und kennen die Vorteile von aconsea. Wir haben mit drei bundesweit tätigen Corporates einen Rahmenvertrag geschlossen. Bereits daran kann man ablesen, welchen Stellenwert unsere begleitende Beratung und Umsetzungsunterstützung hat. Diese Unternehmen profitieren nicht nur von einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit, sondern ebenso von einer gesteigerten Produktivität.
In den letzten Jahren hat auch der Mittelstand erkannt, welche Potenziale das Thema Arbeitswelt hinsichtlich Produktivität, Agilität und für das Employer-Branding hat. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es besonders für mittelständische Unternehmen wichtig, sich als attraktive Arbeitgebermarke zu positionieren. Das Arbeitsumfeld besitzt dabei einen enormen Stellenwert. Wir arbeiten hier häufig mit inhabergeführten Unternehmen zusammen, die langfristiger denken und planen, dafür umso mehr Wert auf eine fundierte Weichenstellung und zukunftsorientierte Flexibilität ihrer Arbeitswelt legen.
Was ist das Ziel bei der Einbeziehung der Belegschaft?
Es ist wie gesagt nicht ein Ziel, sondern mehrere. Das sind unternehmerische Ziele, wie Steigerung der Attraktivität als Arbeitgebermarke, Optimierung der Flächen und Vorwegnahme der Konsequenzen aus der digitalen Transformation. Es sind aber auch Ziele hinsichtlich der Unternehmenskultur. Dazu zählt die Unterstützung neuer Formen der Zusammenarbeit wie „vom Ich zum Wir“, offenes und interdisziplinäres Teamwork, agiles und mobiles Arbeiten. Bei allen Schritten muss jeder Nutzer mitgenommen werden.
Unsere aconsea-Methode ist aber kein „Wünsch-Dir-Was-Fragebogen“, sondern eine strukturierte, zielführende Vorgehensweise mit einer sehr schnellen Datenbank und Auswertung im Hintergrund. Wir beziehen die Nutzer nicht nur einfach ein, sondern geben auch eine wichtige Orientierung. Sobald dieser Prozess in Gang gesetzt ist, entfaltet er eine enorme Dynamik.
Die Mitarbeiter entwickeln so gute, vorausschauende und effiziente Lösungen, dass wir die Ideen eigentlich hauptsächlich kanalisieren müssen. Es ist ja auch naheliegend: Die Mitarbeiter wissen selbst am besten, wie sie arbeiten. Aconsea interpretiert, welche idealen Rahmenbedingungen sie heute oder zukünftig benötigen. Dieses große Wissenspotenzial aktivieren wir durch die Beteiligung. Die Mitarbeitervertretungen sind ebenfalls dabei eingebunden.
Spart das Kosten, erhöht sich die Zufriedenheit oder gibt es noch mehr?
Das Gesamtpaket aus Fläche, Human Ressources und moderner IT-Infrastruktur ist zunächst eine Investition. Nach der ersten Reorganisation mit höherer Effizienz, Produktivität und Motivation rechnen sich die Projekte dann. Mit unserem Weg der Mitarbeiter-Einbindung steigt auch die Zufriedenheit. Voraussetzung ist die Ehrlichkeit und Offenheit. Wenn man Mitarbeiter bei der Neukonzeption einbezieht, muss man ergebnisoffen in den Dialog treten und die Lösung – innerhalb eines gesteckten Rahmens – gemeinsam entwickeln. Dann erzielt man eine hohe Identifikation und Zufriedenheit.
Wir hatten beispielsweise bei einem Pilotprojekt mit Desk-Sharing bei einer Bank einen Mitarbeiter, der zunächst sehr skeptisch war. Am Ende brachte dieser Mitarbeiter erstmalig seine Familie mit ins Unternehmen und stellte stolz „seine Arbeitsplätze“ vor. Man achte auf den Plural. Der Mitarbeiter war übrigens älter als 60 Jahre und das zeigt, dass die Bereitschaft zur Veränderung keine Altersfrage ist, sondern der Vorgehensweise und des Typs. Es gibt kein zu jung oder zu alt. Wichtig ist, dass die Menschen neugierig sind. Unsere Methode weckt diese Neugierde und die neue Arbeitsumgebung sowie die neuen Arbeitskonzepte halten die Neugierde wach. Für Innovationsprozesse von Unternehmen finde ich diese Einstellung ideal.
Das war ein anschauliches Beispiel aus der Praxis, können Sie uns noch weitere nennen?
Einer der Vorreiter für moderne Arbeitswelten ist die Finanz Informatik in Hannover. Das Unternehmen ist der IT-Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe. Hier haben wir bereits vor Jahren erfolgreich ein Desk-Sharing-Projekt umgesetzt. Wir haben für rund 2.100 Mitarbeiter 1.350 geteilte Arbeitsplätze eingerichtet. Dabei haben wir alle einbezogen: Mitarbeiter, Betriebsrat und das Management, das durch sein Leadership-Verhalten den nachhaltigen Erfolg ermöglichte. Wir haben natürlich auch für die Methoden der aconsea wertvolle Erfahrungen gesammelt. Nach Aussagen des Kunden war das Projekt sehr anstrengend, aber es habe sich ebenso sehr gelohnt.
Wir haben viele weitere Projekte in der Automobilindustrie umgesetzt. Mittlerweile hat sich die Situation des Change-Managements dahin gewandelt, dass das „Wie“ – also die Kommunikation, die Einbindung aller und der moderierte Weg zur Veränderung – mindestens den gleichen Stellenwert besitzt wie die neue Lösung selbst. Die Mitarbeiter sind generell bereit für die Veränderungen der Zukunft, es kommt aber vermehrt darauf an, sie mit ihren Vorstellungen wirklich ernst zu nehmen und die Veränderung umfassend und richtig zu vermitteln. Wir ziehen da oft den Vergleich mit dem Fußball. Eine Ansammlung von Superstars ist kein Erfolgsgarant, sondern der ist nur mit einer starken Mannschaftsleistung erreichbar. Und dafür braucht es einen guten Trainer und das richtige Umfeld.
Herr Schneider, wir danken Ihnen für das Interview.